Rezension zu "Grammatik des biblischen Hebräisch"

Dr. Michael Malessa, Dozent auf den Philippinen u.a. für biblische Sprachen:

 

".... auf dem neuesten Stand der hebraistischen Forschung. Die drei klassischen Teile einer Grammatik – Schrift- und Lautlehre, Formenlehre und Syntax – werden für das biblische Hebräisch systematisch, umfassend und detailliert dargestellt."

Diese neue Grammatik des biblischen Hebräisch ist eine hervorragende Ergänzung der Hilfsmittel zum Studium der Hebräischen Bibel. Heinrich von Siebenthal, Professor für Biblische Sprachen an der STH Basel, hat sie auf der Grundlage der 12. Auflage der Grammatica van het Bijbels Hebreeuws von Jan P. Lettinga (bearbeitet von M. F. J. Baasten und W. Th. Van Peursen; Leiden: Brill, 2012) neu bearbeitet und erweitert. Sie ist damit wie das niederländische Pendant auf dem neuesten Stand der hebraistischen Forschung. Die drei klassischen Teile einer Grammatik – Schrift- und Lautlehre, Formenlehre und Syntax – werden für das biblische Hebräisch systematisch, umfassend und detailliert dargestellt. Der Syntaxteil wurde von Heinrich von Siebenthal völlig neu erarbeitet. Während er in der niederländischen Ausgabe nur etwa halb so lang wie die anderen Teile mit der Schriftlehre, der Phonologie und der Morphologie ist, ist er in der deutschen Ausgabe länger als diese und umfasst nicht weniger als ca. 55% des Umfangs (ohne die Beigaben am Ende des Buches). Dies ist auch ein Hinweis auf die besondere Stärke der Grammatik.

Besonderes Gewicht wurde auf die Benutzerfreundlichkeit gelegt. Das Werk ist übersichtlich und leserfreundlich gestaltet. Grammatische Erscheinungen werden mit übersetzten Beispielen illustriert, was gerade im Syntaxteil hilfreich ist. Die für die Erklärungen relevanten hebräischen Elemente sind in den Beispielen optisch hervorgehoben. Zahlreiche Querverweise und ein neues Gliederungssystem mit Randziffern zusätzlich zu den herkömmlichen Paragraphen ermöglichen es, schnell an zusätzliche Informationen in anderen Teilen des Buches zu gelangen.

Diese Grammatik ist für jeden, der Hebräisch lernt oder lehrt oder die Hebräische Bibel lesen und auslegen möchte, empfehlenswert. Die Teile über die Phonologie und die Morphologie sind umfassend und detailreich genug, um ein gutes Verständnis der grammatischen Erscheinungen zu ermöglichen. Besonders die sprachgeschichtlichen Erklärungen zum Wandel von Lauten und Formen sind zum Verständnis der unterschiedlichen Formen hilfreich. So wird z. B. auf S. 129 kurz auf den marginalen Imperfekt-Typus *yaqil (neben *yaqṭul und yiqṭal) hingewiesen; die außergewöhnlich erscheinenden Imperfektformen der Verben נתן und ישׁב (und vergleichbaren פ״ו-Verben) werden dadurch auf den Seiten 152 und 155, wo sich der Hinweis auf *yaqil als Ausgangsbasis der Formen selbstverständlich ebenfalls findet, verständlicher macht. Wegen der geschickten Präsentation wird der Leser meines Erachtens aber nie überfordert.

Der umfangreiche Syntaxteil ist besonders hervorzuheben. Hier ist es Heinrich von Siebenthal gelungen, einen hervorragenden Überblick zu bieten. Themenbereiche, die in anderen Nachschlagewerken weniger Aufmerksamkeit erhalten, wie die Prinzipien des Satzbaus, des Aufbaus von Satzliedern und ihrer Funktion im Satz und die Verbindung von Wörtern zu Wortgruppen werden systematisch dargestellt. Daneben werden die „klassischen“ Themen Wortstellung, Kongruenz, Ellipse und der Gebrauch der einzelnen Wortarten im Satz ausführlich behandelt. Zu letzterem gehört auch die Darstellung des biblisch-hebräischen Verbalsystems. Hier verfolgt Heinrich von Siebenthal einen pragmatischen, aber meines Erachtens linguistisch gut begründeten Ansatz. Alle drei Bedeutungsbereiche Tempus, Aspekt und Modalität werden ausgewogen zur Beschreibung der Bedeutung der einzelnen Verbformen herangezogen, ohne einen Bereich zu stark zu gewichten oder zu vernachlässigen. Abgerundet wird der Syntaxteil mit einer Darstellung der einzelnen Satzarten. Die für das Textverständnis wichtigen Aspekte der Semantik werden grundsätzlich verständlich, feinfühlig und differenziert, aber ohne unnötigen Jargon präsentiert.

Am Ende des Buches befinden sich Paradigmentabellen, hilfreiche Übersichten über den Gebrauch von Verbformen, ein teilweise kommentiertes Literaturverzeichnis und die ebenso üblichen wie sinnvollen Wort-, Stellen- und Sachregister.

Wegen der dargestellten Qualitäten macht diese Grammatik die Benutzung von anderen Nachschlagewerken wir Joüon-Muraoka, Gesenius-Kautzsch oder Waltke-OʼConnor und anderen zwar nicht überflüssig, aber doch bis zu einem gewissen Grad entbehrlich, zumal die gute Präsentation und die Tatsache, dass dieses Werk auf Deutsch ist, die Erarbeitung eines vertieften Verständnisses der grammatischen Inhalte relativ leicht machen. Man kann es nur empfehlen.

Angesichts der Stärken dieses Werkes mögen die folgenden Kritikpunkte unerheblich erscheinen. Genannt seien sie trotzdem. Die Bezeichnungen „Trenner“ und „Verbinder“ für trennende und verbindende Akzente kamen mir als jemandem, dessen Aufenthaltszeiten im deutschsprachigen Raum in den letzten 25 Jahren sehr begrenzt waren, seltsam vor (28). Im Abschnitt über Fälle, in denen der Subjektsausdruck fehlen könne, werden auch die monovalenten Verben, die nur eine Präpositionalphrase mit ל erfordern, wie z. B. חָרָה לְ („jemand wurde zornig“), genannt, obwohl der Subjektsausdruck bei ihnen grundsätzlich fehlt (197). Bei der Diskussion von temporalen Adverbialsätzen zur Darstellung von Gleichzeitigkeit wäre es zumindest möglich, wenn nicht sinnvoll gewesen, Konstruktionen mit zwei Hauptsätzen mit Perfektformen zu nennen (z. B. 1 Sam 9,17 וּשְׁמוּאֵל רָאָה אֶת־שָׁאוּל וַיהוָה עָנָהוּ „sobald Samuel Saul sah, sagte der Herr zu ihm…“). Die Frage, ob die Relativpartikel אֲשֶׁר Satzgliedstatus hat, hätte auch mit mehr Klarheit im Sinne einer negativen Antwort beantwortet werden können. So bleibt die Erklärung schwammig, wenn festgestellt wird: „Die Rolle des eigentlich zu erwartenden Satzgliedes wird dabei scheinbar von der hebräischen Relativpartikel übernommen“ (419). In den folgenden Erklärungen kann man trotz des Adverbs „scheinbar“ den Eindruck gewinnen, dass dies tatsächlich so ist. In diesem Punkt ist die neueste niederländische Ausgabe erfrischend deutlich: Die Relativpartikel ist kein Satzglied. Dessen ungeachtet hat Heinrich von Siebenthal mit der Grammatik des Biblischen Hebräisch allen, die sie benutzen, einen großen Dienst erwiesen.

 

Dr. Michael Malessa, Dozent für Altes Testament und biblische Sprachen am Biblical Seminary of the Philippines und an der Asia Graduate School of Theology, Manila, Philippinen:

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